SOUND OF FUTURE – DER TOURISMUS VON MORGEN

Antragsteller: Landesvorstand
Beschlossen durch: Landeskongress Tirol, Innsbruck
Beschlossen am: 09. Dezember 2023

Der Tourismus ist unbestritten eine wesentliche Quelle für Wirtschaftskraft und Lebensqualität in Tirol. Dennoch schwindet die Begeisterung für den Tourismus bei vielen Tirolerinnen und Tirolern. Sie haben das Gefühl, dass sie vom Tourismusboom zu wenig profitieren und sich in ihrem eigenen Lebensumfeld eingeschränkt und gestört fühlen. Außerdem bestehen Bedenken, dass der Tourismus die Umwelt schädigt, verschmutzt und deutlich mehr Verkehr verursacht.

FÖRDERN OHNE FÖRDERUNGEN

Die Wirtschaftsförderpolitik der aktuellen Tiroler Landesregierung ist weder zielgerichtet noch effektiv. Es werden Millionen an Landesförderungen ohne klare Kriterien für Nachhaltigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit vergeben. Im Jahr 2018 hat Tirol mehr als doppelt so viel an Wirtschaftsförderungen ausgegeben wie das Bundesland Wien. Besonders im Tourismus werden viele Förderungen vergeben: für Kleinst- & Kleinskigebiete, regionale Tourismusprojekte im Tiroler Oberland, Außerfern und in Osttirol. Diese Politik halten wir für kurzsichtig. Die Förderungen bringen oft keinen nachweisbaren Nutzen für den Tourismusstandort Tirol. Sie werden seit Jahrzehnten vergeben, aber eine Überprüfung der wirtschaftlich nachhaltigen Effekte bleibt aus.

Wir JUNOS sind überzeugt, dass die beste Wirtschaftsförderung in der Vereinfachung von Bürokratie und in der Senkung von Steuern und Abgaben besteht. Wir wollen keine Millionenförderungen für einzelne ausgewählte Betriebe und Seilbahnkaiser, sondern bessere und faire Bedingungen für alle. Davon profitieren vor allem kleinstrukturierte Betriebe. Die Liberalisierung der Öffnungszeiten in Tirol ist längst überfällig und ist offensichtlich ein Standortnachteil. Diese Maßnahmen würden auch die Interessen der Bevölkerung widerspiegeln und die Tourismuswirtschaft weiter stärken.

EIN BEISPIEL FÜR DIE MISSGLÜCKTE FÖRDERUNGSPOLITIK DES LAND TIROLS:
Die Osttirol Investment GmbH (OIG) ist eine Gesellschaft, die indirekt überwiegend im Besitz des Land Tirol steht und zum Zweck der Wirtschaftsförderung im Bezirk Lienz gegründet wurde. Als der bekannte Liftkaiser Schultz aus dem Zillertal in das Osttiroler Skigebiet Kals kräftig investierte, wollte man das nicht nur durch EU-Konforme Förderungen unterstützen. So beteiligte sich auch die OIG mit 6 Millionen Euro an dem Skigebiet, in dem es 25,1% der Anteile daran erwarb. Bereits damals stand der Vorwurf der verdeckten Förderung im Raum. Im Jahr 2018 zog die Schultz Gruppe dann eine vertraglich vereinbarte Option und holte sich die Anteile der OIG zurück. Da das Skigebiet bei weitem nicht den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg erreicht hat, brach ein Streit zwischen den beiden Anteilsinhaber, Schultz und der OIG aus. Die Anteile sind bereit vor der Festlegung eines fixen Kaufpreises an die Seilbahngruppe aus dem Zillertal gewandert. Bis heute wurde für die damals um 6 Millionen (!) erworbenen Anteile lediglich 36.000€ an die OIG überwiesen. Dieser Skandal ist in der Größenordnung wahrscheinlich ein Einzelfall, jedoch bei weitem nicht einzigartig in Tirol. So wurden ähnliche Praktiken auch in anderen Skigebieten angewandt. Das Augenmerk auf einen wirtschaftlichen Erfolg der geförderten Projekte ist in Tirol quasi nicht vorhanden und somit werden Millionen an Steuergelder wie mit einer Schneekanone an zu warmen Tagen rausgeblasen, ohne einen Effekt zu erzielen.

FACHKRÄFTEMANGEL

Es fehlt in vielen Branchen in Tirol an qualifiziertem Personal. Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel im Tourismus. Die Gründe des Fachkräftemangels sind vielfältig. Obwohl die österreichische Bevölkerung wächst, kommt es aufgrund der geringen Geburtenrate zu einem prognostizierten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung. Der demographische Wandel führt durch weniger erwerbstätige Menschen zu mehr offenen Stellen, die oft nur schwer nachbesetzt werden können. Besonders in der Branche des Tourismus hat die Covid Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Die Lockdowns zwangen viele Fachkräfte aus dem Tourismus zu einer beruflichen Umorientierung und führten somit zu einer Abwanderung in andere Branchen – diese Fachkräfte fehlen heute. Wie schon lange auch im Gastgewerbe kritisiert, führen auch schlechte Arbeitsbedingungen wie Stress, hohe körperliche Belastung und familienfeindliche Arbeitszeiten zu Abwanderung in andere Branchen.

All dies führt dazu, dass viele Betriebe offene Stellen nicht mehr besetzen können und ihre Betriebe dadurch nur eingeschränkt führen können. In weiterer Folge führt das auch zu einer immensen Mehrbelastung der vorhandenen Arbeiter:innen, was die Abwanderung in andere Branchen wiederum antreibt. Folgend deswegen unsere Ideen, dem entgegenzuwirken:

LEHRE MIT MATURA ON DEMAND
Im Tourismus findet die Lehre beinahe ausschließlich jenseits von 9to5 statt. Dadurch ist es für Lehrlinge dieser Branche viel schwieriger eine Lehre mit Matura zu absolvieren.

Die Digitalisierung und Flexibilisierung der „Lehre mit Matura“ ermöglicht es mehr jungen Menschen, einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem sie die Barrieren und starren Strukturen des traditionellen Bildungssystems überwinden. (Siehe dazu auch den Antrag “Lehre mit Matura on demand gewährleisten” vom JUNOS-Tirol Landeskongress am 19.Dezember 2022.[1])

ERASMUS+ FÜR LEHRLINGE
Wir sehen das Programm Erasmus+ als eine fantastische Chance für unsere Lehrlinge, selbstständiger zu werden, neue Sprachen zu lernen und sich beruflich wie persönlich durch neue Ideen im Ausland weiterzubilden. Von den erlernten Fähigkeiten profitiert dann natürlich auch der Lehrbetrieb und in weiterer Folge der Wirtschaftsstandort hier bei uns.

Trotzdem nehmen dieses Angebot erschreckend wenig Lehrlinge in Anspruch. Der Grund ist, dass existierende Angebote viel zu wenig koordiniert sind und die wenigsten Betriebe und Lehrlinge überhaupt darüber Bescheid wissen. Außerdem haben lokale Tourismusbetriebe häufig Schwierigkeiten Partnerbetriebe in anderen Regionen oder Ländern überhaupt erst zu finden. Dazu könnten Städtepartnerschaften der Gemeinden genutzt werden, das Angebot zu erweitern und zu etablieren. Ein einfacherer und weniger bürokratischer Bewerbungsprozess könnte darüber hinaus mehr Lehrlinge ermutigen sich für das Programm zu bewerben und würde eine schnellere Abwicklung der Anträge ermöglichen.[2]

LEHRE UNABHÄNGIG VON DER SPEISEKARTE
Die Lebensrealitäten haben sich in Tirol über die letzten Jahre und Jahrzehnte verändert – die Lehrausbildungen dahingegen teils kaum. Auch wenn viele Tiroler:innen ihr Schnitzel nach wie vor lieben, kann es keine Voraussetzung dafür sein, dass man seine Lehre zum Koch machen kann. Viele potentielle Ausbildungsbetriebe fallen durch die Regelung, dass zumindest ein österreichisches Gericht auf der Speisekarte stehen muss, von vornherein weg. Es muss doch reichen, wenn man in der Berufsschule zumindest ein österreichisches Gericht lernt zu kochen.

KINDERBETREUUNG Familienfeindliche Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche machen eine ganzjährige und ganztägige Kinderbetreuung unumgänglich. Vor allem Spätschichten und Wochenenddienste können mit dem aktuellen System nicht gestemmt werden, da der Tourismus nicht nur 9 to 5 von Montag bis Freitag stattfindet. (Siehe dazu Antrag vom Landeskongress Juli 2023 “Herdprämie ohje, Kinderbetreuung olé – Ausbau der Kinderbetreuung in Tirol”[3])

AR UND VR IN DIE AUSBILDUNG EINBAUEN
Durch AR-Unterstützung ergeben sich neue Möglichkeiten Personal effizient und dennoch präzise auszubilden, ohne dafür andere Personalressourcen einsetzen zu müssen. So können z. B. Küchenhilfen durch eine AR-Brille rasch lernen und auch in Echtzeit beim Verarbeiten von Lebensmitteln sehen, wie genau sie diese schneiden oder bearbeiten müssen und für wie lange. Die Brille kann zudem Live-Feedback geben um auch laufend einen Lernfortschritt zu erzielen.[4]

QUALIFIZIERTE ZUWANDERUNG
Zusätzlich muss auch das Potenzial der stattfindenden Migration insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels durch qualifizierte Zuwanderung von vA Fachkräften genutzt werden.

GASTRO (SCHNELL-)KURSE FÜR STUDIERENDE AUSBAUEN
Studierende suchen in aller Regel einen Job neben ihrem Studium und viele Gastronomiebetriebe suchen händeringend nach Arbeitskräften. Das ist doch ein Perfekt-Match! Und dazu gibt es auch noch ein Ausbildungsangebot namens “Students go Gastro”, bei welchem das WIFI kostenlose Gastro-Kurse für Studierende in Innsbruck anbietet. Zum Abschluss werden immer auch noch Gastronomiebetriebe eingeladen, die sich kurz als Arbeitgeber vorstellen und dann mit den frisch Ausgebildeten ins Gespräch kommen. Wir finden das ist eine gute Sache und fordern deswegen den Ausbau dieser Gastro (Schnell-)Kurse.[5]

NACHHALTIGKEIT

Der Tourismus in Tirol profitiert von unserer einzigartigen Landschaft und Natur. Um all das noch möglichst lange zu erhalten, ist es unumgänglich denAspekt der Nachhaltigkeit in diesem Kontext stets mitzudenken.

AUSBAU VON ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTELN
Die Anreise zu den Schigebieten ist nicht nur für Urlaubende, sondern besonders auch für die Tiroler Bevölkerung oftmals eine Belastung. Endlose Staus bis in Stadtgebiete, die nicht nur die dort lebende Bevölkerung stören, sondern zugleich umweltschädliche Abgase erzeugen, zu geringe Busintervalle und teils schlechte Anbindungen sind derzeit leider Realität. Wir sind der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit im Wintertourismus bereits bei der Anreise zur Gondelbahn eine Rolle spielen muss und fordern daher die Attraktivierung des Öffentlichen Verkehrs. Während die letzte Meile in den Ski-Destinationen selbst meist bereits durch ein sehr dichtes Skibus Netz gut ausgebaut ist, gibt es bei der Anreise in die Ski-Destination von außerhalb den größten Aufholbedarf. Mehr Direkt-Züge aus den Haupt-Herkunftsländern der Touristen mit Buchung des Tickets gleich bei der Buchung des Hotels, würden die Hürde klimafreundlich mit dem Zug anzureisen, nehmen. Des Weiteren braucht es auch einen Ausbau des Angebots vor Ort in Form von Bus- und Zuglinien mit höherer Taktung, Buslinienverlängerungen, Gefäßgrößenausweitungen als auch einem Ausbau des Angebots über die Tagesrandzeiten hinaus. Zudem kann auch durch die Verbesserung der Transportmöglichkeiten von Schi im Zug durch geeignete Schiständer oder ähnlichem der ÖPNV zielführend attraktiviert werden.

ENTBÜROKRATISIERUNG VON WINDRÄDERN
Wir finden, dass beim Thema erneuerbare Energien nicht alles auf nur eine Karte gesetzt werden soll, wie es des Land Tirol derzeit beispielsweise mit dem radikalen PV-Ausbau tut. Wir sind der festen Überzeugung, dass Schigebiete ihrer Verantwortung bewusst sind und Windräder auf ihren Flächen aufstellen wollen. Diese Vorhaben werden derzeit durch einen massiven bürokratischen Aufwand und Unsicherheit der Umsetzung durch UVP und weiterem gehemmt. Daher fordern wir eine massive Entrümpelung der rechtlichen Anforderungen sowie einer Evaluierung der derzeitigen Praxis rund um Umweltverträglichkeitsprüfungen.

TOURISMUSABGABE

Die Tiroler Tourismusabgabe betrifft derzeit etwa 74 000 Unternehmer und kostet diese einen Betrag von insgesamt 120 Millionen Euro jährlich.[6] Dabei ist es der größtenteils der Willkür der Landesregierung überlassen, festzulegen, welche Unternehmen angeblich wie stark vom Tourismus profitieren und folglich wie stark zur Kasse gebeten werden. Dieses System halten wir nicht mehr für zeitgemäß.

Wir fordern daher die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Tourismusverbänden nach §2 Tiroler Tourismusgesetz für Unternehmer, welche laut derzeitiger Interpretation der Tiroler Landesregierung unmittelbar oder mittelbar vom Tourismus profitieren. Mit dem Entfall der Pflichtmitgliedschaft entfallen auch die Pflichtbeiträge nach §30 Tiroler Tourismusgesetz[7] (umgangssprachlich als „Tourismusabgabe“ bekannt). Als Gegenfinanzierung fordern wir eine Erhöhung der Gemeindeaufenthaltsabgabe von 2,50€ auf 4,50€.

Quellen:

[1] https://junos.at/lehre-mit-matura-on-demand-gewaehrleisten/
[2]https://erasmusplus.at/de/lehre-ohne-grenzen/fuer-lehrlinge
[3] https://junos.at/beschlusslagen/herdpraemie-ohje-kinderbetreuung-ole-ausbau-der-kinderbetreuung-in-tirol
[4] https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/augmented-reality-und-virtual-reality-im-handwerk/wie-ar-und-vr-die-ausbildung-bereichern-koennen
[5] https://www.meinbezirk.at/innsbruck/c-lokales/gastronomie-schnellkurs-fuer-studierende-im-sommer_a6086130
[6] https://www.tt.com/artikel/30861220/wer-muss-tourismusabgabe-zahlen-ausmisten-der-liste-dauert-laenger
[7] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Gesetzesnummer=2000016–3

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