Die grenzüberschreitende Mobilität von Menschen war lange Zeit ein klassisches Zeil des politischen Liberalismus. Heute prägt sie unsere Gesellschaft wie sonst kein anderes soziales Phänomen. Österreich ist heute offener, bunter und dynamischer. Die Jungen Liberalen begrüßen diese neue Vielfalt als Bereicherung. Wir möchten sie deswegen vor Angriffen schützen, Rückschläge verhindern und offen und möglichst früh Probleme ansprechen.
Als Liberale treten wir für eine möglichst konsequente Gleichbehandlung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger durch den Staat und durch die öffentliche Hand ein. Diese Gleichbehandlung gilt unabhängig von ethnischen, religiösen oder sonstigen Merkmalen. Wir sehen deswegen nicht ein, wieso Migrantinnen und Migranten zusätzliche oder strengere Pflichten erfüllen müssten als die Mitglieder der Aufnahmegesellschaft.
Dadurch möchten wir uns von Rufen nach Assimilation von Migrantinnen und Migranten (erzwungene Übernahme der „Mentalität“ der Aufnahmegesellschaft, etwa „österreichische Leitkultur“) entschieden distanzieren.
Die verordnete Assimilation ist ein schwerer Eingriff in die Identität des Menschen. Sie wird von überheblicher Arroganz getragen, vermittelt aber paradoxerweise gleichzeitig auch den Eindruck des Unvermögens, mit der fremden Kultur in einen friedlichen Kontakt zu kommen. Sie täuscht nur das Bild einer einheitlichen Vorzeigekultur vor, ignoriert aber die Vielfalt, die dieser Gesellschaft selbst innewohnt und damit auch die Vielzahl kleiner Subkulturen und „Parallelgesellschaften“, die sich (nach anderen Merkmalen als die ethnischen) vom Mainstream krass unterscheiden und trotzdem nicht zur Assimilation aufgefordert oder verpflichtet werden.
Denn Gesellschaften werden viel stärker von Unterschieden als von Gemeinsamkeiten geprägt. Die Unterschiede sind es, die der Gesellschaft die notwendige lebenserhaltende Dynamik verleihen, indem sie einen Austausch in ihrem Inneren ermöglichen. Dieser Austausch mag sich in Handel mit Waren, mit Dienstleistungen, mit Information und damit in ganz einfacher Kommunikation ausdrücken. Er ist nur möglich und sinnvoll, solange sich die Mitglieder der Gesellschaft voneinander unterscheiden und damit auf den Gegenstand des Austausches unterschiedlich viel Wert legen. Als Liberale bekennen wir uns daher zur Vielfalt als unverzichtbares Fundament der Marktwirtschaft.
Diese Diversität innerhalb unserer Gesellschaft führen wir Junge Liberale auf etwas zurück, das wir genau so leidenschaftlich verteidigen: die Selbstbestimmung der erwachsenen und mündigen Menschen.
Als Liberale widmen wir unsere Politik an die Freiheit jedes Einzelnen, die eigene Identität ungestört zu bilden und in der Gesellschaft frei ausleben zu dürfen. Zu dieser Freiheit zur selbstständigen Identitätsbildung gehört eben das Recht, die eigene Werteordnung selbst zu bestimmen. Es ist die Freiheit, den eigenen Beruf auswählen und ausüben zu dürfen, genauso wie die Freiheit, das eigene Religionsbekenntnis auswählen und ausüben zu dürfen. Es ist die Freiheit, den Gehalt in einer fremden Währung gezahlt zu bekommen, genauso wie die Freiheit, mit Freunden und Verwandten eine Fremdsprache zu sprechen.
Dadurch kommt ein grundlegendes Erkenntnis nochmals zum Vorschein: die Einzigartigkeit jedes Menschen. Alle unsere Thesen beziehen sich und stützen sich auf sie: wir sind stets für die Gleichbehandlung und gegen die Gleichmachung der Menschen. Diese Einzigartigkeit jeder Person begründet auch ihre Eigenschaf zur jeweils einzigartigen Wahrnehmung. Das Recht auf Religionsfreiheit ist nicht durch willkürliche Interpretation religiöser Schriften einzuschränken. Nicht die Aussagen der Schrift sondern das Verhalten der Person im Rechtssystem ist ausschlaggebend.
Zur Rolle der Politik im Integrationsprozess gehört deswegen auch, eine stärker von Individualismus und weniger von Kollektivismus geprägte Wirtschaft zu ermöglichen. Die Marktwirtschaft verdient auch hier unseren Vorzug, weil in ihr der Einzelne ein Diener seiner Gleichen ist und sein Glück von der Prosperität der anderen abhängig ist. Kollektivismus hingegen, mag er national oder sozialistisch gefärbt sein, kreiert langsam aber sicher kollektive Identitäten mit möglichst viel Gleichheit und möglichst wenig Diversität. Der Einzelne definiert sich dadurch viel stärker durch die Gruppe, deren Teil er ist, weil seine Prosperität von ihrer Leistung und nicht von seiner Eigenen abhängt. Die Gruppe hingegen definiert sich meistens durch Abgrenzung zu anderen Gruppen. Dadurch entsteht die Sichtweise „Wir gegen sie“, die sehr gefährlich ist.
Es ist wichtig festzuhalten, dass Integration in erster Linie ein gesellschaftlicher und kein politischer Prozess ist. Sie findet in der Gesellschaft statt und die Migrantinnen und Migranten einerseits und die Aufnahmegesellschaft andererseits sind deswegen selbst berufen, in ihrem Alltag das zumutbare zu tun, um ihn zu erleichtern und beschleunigen. Die Politik muss offen klarstellen, dass sie nicht für jedes Problem der Gesellschaft eine Lösung anbieten kann.
Als Mitglieder derselben Gesellschaft werden wir uns daher wagen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger unabhängig von ihrer Herkunft aufzufordern, Geduld zu haben, tolerant zu sein, sich um Verständnis zu bemühen.
Als zentrale Rolle der Politik empfinden wir nicht die zielgerichtete Gestaltung der Gesellschaft, sondern die Schaffung jener Rahmenbedingungen für sie, die ein möglichst konfliktfreies Miteinander ermöglichen. Eben auch deswegen begegnen wir als Liberale Forderungen etwa nach Assimilation mit der gleichen Skepsis, mit der wir staatlicher Planung für die Wirtschaft begegnen.