Grundsatzposition zum Strafrecht

Leitendes Prinzip liberaler Politik ist die größtmögliche Freiheit des Einzelnen von ihm oktroyierten Zwängen. Strafen in Form von Eingriffen in die Rechtsgüter der persönlichen Freiheit und des Eigentums stehen dem grundsätzlich entgegen, sind aber von essentieller Bedeutung für die Behauptung und Bewehrung jener äußeren Grenzen hinnehmbaren Verhaltens, die das Zusammenleben in einer funktionierenden Gesellschaf ermöglichen. Zentraler Zweck des Strafrechts ist der Schutz des Einzelnen vor widerrechtlichen Eingriffen durch andere, nicht mehr und nicht weniger. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Strafbarkeit sogenannter victimless crimes, bei denen es kein unmittelbares Opfer gibt, weil Opfer und Täter ein und die selbe Person sind, als problematisch an.

Zweck und Rechtfertigung eines progressiven, modernen StGB sind Generalprävention, Spezialprävention und der Resozialisierungsgedanke. Dabei muss die Existenz des Strafrechts und einer funktionierenden Strafverfolgung und -Justiz dem Zweck der Generalprävention Genüge tun. Eine Berücksichtigung generalpräventiver Überlegungen bei der Strafzumessung lehnen wir daher ab. Der Einzelne darf nicht für mehr bestraf werden, als das Unrecht seiner Tat wert ist.

Der Gebrauch des Strafrechts als Mittel zur Lösung gesellschaftlicher bzw. innenpolitischer Probleme ist insofern abzulehnen, als es keineswegs das einzige geeignete Mittel zur Verhinderung von Kriminalität ist. Die Politik hat es vielmehr in der Hand, jene wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu ermöglichen und zu gestalten, die ein friedliches und zivilisiertes Zusammenleben gewährleisten. In diesem Sinne hat nicht nur das StGB und die funktionierende Strafverfolgung, sondern jedes politische Handeln präventive Funktion. Volle Gefängnisse zeugen eher vom Versagen der Gesellschaf und des Staates, als von deren Funktionieren.

Im Vollzug der Strafe muss wiederum der reine Freiheitsentzug Ultima Ratio sein. Ziel des Strafvollzugs in einem modernen Rechtsstaat ist vor dem Hintergrund sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse in erster Linie die (Re)Sozialisierung des Täters und die (Spezial)Prävention weiterer Straftaten.

Progressive Strafrechtspolitik orientiert sich an Alternativen zum reinen Freiheitsentzug, um negativen Rückkoppelungen der Haftstrafe auf die Gesellschaft in Form ihrer resozialisierungsfeindlichen oder desozialisierenden Effekte vorzubeugen.

Eine kontinuierliche Evaluierung und Reformierung des Sanktionenrechts ist sohin ebenso unerlässlich, wie sie es bezüglich des Besonderen Teils des StGB ist. Dieser ist an die sich stetig ändernden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Die Politik ist angehalten, Reformen einzelner, überholter Tatbestände mit aller Konsequenz und frühestmöglich durchzuführen.

Reform des Besonderen Teils des StGB

§274 – StGB Landfriedensbruch

Über Jahrzehnte war der Tatbestand des Landfriedensbruchs totes Recht. Ursprünglicher Zweck dieser Strafnorm war der Schutz des staatlichen Gewaltmonopols. Sein nunmehriger Anwendungsbereich erstreckt sich auf Ausschreitungen gewaltbereiter Fußballfans und Demonstranten. Das Recht, Demonstrationen abzuhalten und an ihnen teilzunehmen ist Ausfluss des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Straftatbestände, die geeignet sind, dieses grundlegende, in einer demokratischen Gesellschaf unerlässliche Freiheitsrecht einzuschränken, müssen besonders streng geprüft werden und bedürfen besonders starker Rechtfertigung.

Vor diesem Hintergrund bietet Tatbestand des Landfriedensbruchs in seiner jetzigen Form erhebliches Missbrauchspotential, welches die Zivilgesellschaf in nicht hinnehmbarem Maß gefährdet. Aufgrund der unklaren Grenzen des Tatbestandes sowohl auf objektiver als auch auf subjektiver Tatseite ist eine Reformierung vonnöten.

§188 StGB – Herabwürdigung religiöser Lehren

Wir treten für eine ersatzlose Streichung dieses Tatbestandes ein. Das Auslösen von Ärgernis kann nicht zulasten der Meinungsfreiheit unter Strafe gestellt werden. Auch sehen wir die Privilegierung staatlich anerkannter Religionsgemeinschafen in Straftatbeständen als in einer aufgeklärten, modernen und säkularisierten Gesellschaf ganz grundlegend problematisch an. Meinungsfreiheit, soweit sie nicht zu Gewalt und ähnlichem Handeln gegen andere aufruft, muss absolut sein.

§248 StGB – Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole

Kein durch diese Bestimmung geschütztes Rechtsgut steht höher als das des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Wir fordern die ersatzlose Streichung dieses überkommenen Tatbestandes

§ 317 StGB – Herabwürdigung fremder Symbole

Aus selbigem Grunde fordern wir auch die ersatzlose Abschaffung dieses Tatbestandes.

§283 StGB – Verhetzung

An dieser Stelle sei auf den Beschluss vom Bundeskongress der Jungen Liberalen am 9./10. März 2013, als Antrag eingebracht von Nikolaus Scherak unter dem Titel „Einschränkung der Meinungsfreiheit hilf nicht zur Terrorismusprävention“ verwiesen

§281 StGB – Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze

Wir fordern die ersatzlose Streichung dieses Paragraphen. Derartige Straftatbestände sind in unserer modernen, liberalen Gesellschaf schlichtweg fehl am Platz. Historisches Vorbild des §281 StGB ist das Verbrechen der „Störung der öffentlichen Ruhe“ gem § 65 lit b StG 1945. Das Staatsverständnis, die Legitimität der und das Vertrauen in die Rechtsordnung hat sich seit 1945 aber massiv gewandelt und gefestigt. §281 StGb ist ein unzeitgemäßes Relikt aus Zeiten, in denen die Integrität des Staates Österreich – gerade im Licht der Ereignisse der Zwischenkriegszeit, des 2. Weltkriegs und der unmittelbaren Folgeereignisse nach Kriegsende – auf weitaus weniger festen Säulen stand, wie das momentan der Fall ist.

Geschützt ist durch §281 StGB der „öffentliche Friede“. Der öffentliche Friede ist mittlerweile durch derartige Beschränkungen der Meinungsfreiheit eher gefährdet, als durch bspw. die Aufforderung zur Wehrdienstverweigerung oder Steuerhinterziehung. Derartiges fällt unter die gerechtfertigte, vertretbare und im Diskurs wichtige Kritik am Status quo der Rechtsordnung.

Bestimmungs- und Beitragshandlungen sind ohnedies strafbar, alles andere sehen wir als im Rahmen der Meinungsfreiheit gerechtfertigt und für eine sinnvolle öffentliche Debatte fruchtbar. Wir fordern aus den genannten Gründen die Streichung des §281 StGB.

§282 StGB – Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheissung mit Strafe bedrohter Handlungen

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Abs 2.

§282 (2) StGB

Die zweite Alternative dieses Straftatbestands setzt die legitime Kritik an Straftatbeständen dem Risiko der Strafbarkeit aus. Es schränkt damit Recht auf freie Meinungsfreiheit in einer unverhältnismäßigen Art und Weise ein. Die potentielle Unterbindung oder Beeinträchtigung des – unerlässlichen und notwendigen – kritischen Diskurses über Straftatbestände ist in einem liberalen, demokratischen Rechtsstaat inakzeptabel.

Zudem öffnet §282 – auch, wenn seit 20 Jahren quasi totes Recht – der Willkür Tür und Tor. Somit fordern wir die Streichung des §282 (2) erste Alternative – also der Strafbarkeit der Gutheißung einer strafbaren Handlung, wenn Eignung zur Empörung des allgemeinen Rechtsempfindens vorliegt.

Weiters fordern wir die Streichung der §§282 (1) und 282 (2) erste Alternative. Das StGB sieht ausreichend Straftatbestände gegen die Verbreitung hetzender oder anderweitig gefährlicher Inhalte vor, so etwa den Straftatbestand der Verhetzung oder die Bestimmungsstrafbarkeit.

§115 StGB – Beleidigung

Wir treten für die Streichung der Alternativen des Beschimpfens und Verspottens ein, weil wir auch hier keine ausreichende Rechtfertigung für die Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung sehen.

Persönliche Beleidigungen mögen für den Betroffenen schmerzhaft, inakzeptabel und empörend sein, das Strafrecht zum Schutz vor derartigen Erfahrungen heranzuziehen erscheint uns stark überzogen und im Lichte des ultima-ratio-Prinzips nicht gerechtfertigt.

§116 öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde.

Der besondere Ehrenschutz von iSd §116 StGB beleidigungsfähigen Kollektiven wie Landes- und Bundesregierung sowie deren Ämter, Bundeskriminalamt, Bundesheer oder Bundesrat greif unverhältnismäßig stark in das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Leidenschaftlich geführte öffentliche Debatten zeichnen sich häufig durch Überzeichnungen und Übertreibungen aus. Diese sind of nötig, um Standpunkte ausreichend klar zu definieren und darüber hinaus selbstverständlicher Teil der Diskussionskultur. Es kann nicht Aufgabe des Rechts sein, die Diskussionskultur, den Stil in der öffentlich-politischen Debatte bei Strafe zu reglementieren. Eine Aussage wie bspw. „Im Nationalrat sitzen lauter Verbrecher“ wäre im Lichte des §116 StGB strafbar. In einem liberalen, demokratischen Rechtsstaat, der von der Dynamik öffentlichen gesellschaftlichen Diskurses lebt, ist ein derartiger Straftatbestand allein schon aus symbolischen

§282a (2) StGB – Gutheissen von terroristischen Straftaten

An dieser Stelle sei auf den Beschluss vom Bundeskongress der Jungen Liberalen am 9./10. März 2013, mit dem Titel „Einschränkung der Meinungsfreiheit hilf nicht zur Terrorismusprävention“ verwiesen.