Gefesselter Staat, glückliche Bürger

Hintergrund

Ein Hauptproblem moderner Wohlfahrtsstaaten bzw. Demokratien ist es, das richtige Verhältnis von gegenwärtigem Konsum, effektiver Erfüllung von staatlichen Kernaufgaben und langfristigen Zukunftsinvestitionen zu finden. Politiker, die für finanzielles Maßhalten und eine langfristig nachhaltige Lastenverteilung über Generationen hinweg eintreten, sind oft genug in der Minderheit und werden durch Politiker, die vollmundig verheißungsvolle Versprechungen machen, bei Wahlen ausgestochen. Dazu mag der fünfjährige Wahlzyklus das seine beitragen. Wer denkt schon an die Auswirkungen seines Handelns in 20 Jahren, wenn er oder sie sich in drei, vier, fünf Jahren einer Wahl stellen muss, die über das jeweilige politische Schicksal entscheidet.

Zwar ist es richtig und notwendig, dass Bürger vehement an das Verantwortungsgefühl der gerade aktuellen Politikergeneration appellieren, aber dies allein wird das skizzierte strukturelle Problem der unterschiedlichen Zeithorizonte nicht lösen können. Was es braucht, sind ebenso strukturelle Schranken, welche die Bevölkerung den politischen Akteuren auferlegt und welche die vorhandenen negativen Anreize ausgleichen oder zumindest abschwächen und damit verantwortungsvollen Politikern mit langfristigem Blick die notwendige Unterstützung zukommen lassen.

Ausgabenbremse als Turbo der Generationenfairness

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kennt die Entwicklung der Ausgaben des österreichischen Staates so wie in den meisten westlichen Demokratien praktisch nur eine Richtung: nach oben. Dies lässt sich nicht nur, aber vor allem, auf die immens gestiegenen Sozialausgaben zurückführen. Als Anteil an der gesamten Wirtschaftsentwicklung (BIP) gemessen betrugen diese im Vor-Pandemie-Jahr 2019 bereits 29,3 Prozent[1]. Vom finanziellen Kuchen der österreichischen Staatsausgaben nahmen sie im selben Jahr sogar 41,4 Prozent ein[2]. Es flossen somit ganze 41 Cent von jedem Euro Staatsausgaben in die sozialen Sicherungsnetze. Durch die Coronakrise gab es noch einmal einen sprunghaften Anstieg und die Sozialausgaben erreichten laut Statistik Austria im Laufe des Jahres 2020 satte 34,1 Prozent des BIP und damit ihren bisherigen Höchststand[3]. Zwar kam es in den Folgejahren nach Ende der Pandemie wieder zu einem Rückgang (im Jahr 2022 betrug die Sozialquote „nur“ noch 30,5 Prozent des BIP)[4], steigende staatliche Verpflichtungen vor allem im Bereich der Pensionen, Gesundheit und Pflege bleiben aber auch in Zukunft Ausgabentreiber.

Um all dies zu finanzieren, wurde bereits in der Vergangenheit neben einer stark steigenden Abgabenquote ein immer größerer Schuldenberg angehäuft. Im Vor-Pandemie-Jahr 2019 betrug dieser 70,6 Prozent des BIP.[5] 2022 erreichte man nach den Ausgabenexzessen während der Coronapandemie einen Wert von 78,4 Prozent des BIP – fast 20 Prozentpunkte über dem diesbezüglichen Maastricht Grenzwert.[6] Im Vergleich zu Österreich schaffte es Schweden nach Einführung einer Ausgabenbremse in den 90ern seine Staatsverschuldung von einem Wert um die 70 Prozent zu halbieren und damit die Interessen und den finanziellen Handlungsspielraum nächster Generationen zu wahren.

Wir JUNOS – Junge Liberale NEOS anerkennen die moderne Errungenschaft effektiver sozialer Sicherungsnetze, welche es allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ihr Leben geschützt vor Schicksalsschlägen und herkömmlichen Lebensrisiken in Freiheit und größtmöglicher Unabhängigkeit zu gestalten. Gleichzeitig ist es für uns Liberale selbstverständlich, dass jedes Mitglied der Gesellschaft die Pflicht hat, diese Netze nur so lange und in einem Ausmaß in Anspruch zu nehmen, die seiner unverschuldeten Notlage und/oder seinen vorherigen Beitragszahlungen entspricht. Neben dieser Verpflichtung des Einzelnen gibt es aber auch eine Verpflichtung des Staates, seine eigentlichen Kernaufgaben der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Verwaltung sowie wichtige Zukunftsinvestitionen nicht zugunsten erhöhter Sozialausgaben und Konsums in der Gegenwart zu vernachlässigen.

Gerade Letzteres droht ansonsten zu einem Mühlstein für nächste Generationen zu werden, die sich nicht mehr auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen können werden, wenn sie diese einmal brauchen. Als JUNOS – Junge Liberale NEOS sehen wir es als unsere liberale Pflicht an, uns für generationenübergreifende Fairness und nachhaltige staatliche Sozialsysteme einzusetzen, welche die Freiheit und Rechte der Nachgeborenen achten.

Aus diesen Gründen setzen wir uns für die Einführung einer Ausgabenbremse im Verfassungsrang ein. Diese ist in die Systematik einer ebenso verfassungsrechtlich abgesicherten Schuldenbremse einzufügen und hat vorzusehen, dass das jährliche Budget des Bundes im Rahmen eines fünfjährigen Haushaltsplans zu erstellen ist, in welchem den einzelnen Ressorts maximale Ausgabensummen zugewiesen werden. Gesamtstaatlich darf das Ausgabenwachstum hierbei nicht die Teuerung übersteigen solange die Verschuldung den Wert von 60 Prozent des BIP (= Maastricht Grenzwert) nicht unterschreitet.[7]

Daneben und aufgrund der herausragenden Bedeutung dieses Ausgabenbereichs treten wir dafür ein, dass die gesamtstaatlichen Sozialausgaben den Wert von 40 Prozent an den staatlichen Ausgaben über einen Konjunkturzyklus nicht überschreiten dürfen. Dies ist ebenfalls in einer Verfassungsbestimmung festzuschreiben. Ein zu implementierender Konsultationsmechanismus mit Ländern, Gemeinde- und Städtebund soll die notwendige Abstimmung der Gebietskörperschaften in beiden Fällen sichern.

Durch den damit geschaffenen Druck zur Ausgabensenkung und -konsolidierung erhoffen wir uns den politischen Willen für überfällige Strukturreformen, vor allem im Sozialbereich. Notwendig sind insbesondere eine generationengerechte Pensionsreform, das Abstellen von Privilegierungen für gewisse potente Interessengruppen sowie die Erhöhung der sozialen Treffsicherheit ebenso wie die Vereinfachung und Effizienzsteigerung der weiteren Systeme sozialer Absicherung.

Steuer- und Abgabenobergrenze als Schutzschirm der Steuerzahler

So wie die Sozialausgaben wächst auch die Steuer- und Abgabenquote Österreichs sukzessive seit Jahrzehnten mit wenigen Intervallen kurzfristiger Abgabenentlastungen. Im Vor-Pandemie-Jahr 2019 lag diese bei ganzen 43,2 Prozent des BIP[8]. Dieser Wert stieg bis 2022 auf 43,6 Prozent des BIP an[9]. Man befindet sich damit komfortabel im oberen Drittel der Mitgliedsländer der Europäischen Union (gemäß leicht abweichendem Wert der WKO)[10]. Allen Steuerreformen der letzten Jahre zum Trotz kommt man dem Ziel einer Steuer- und Abgabenquote von unter 40 Prozent des BIP auch in Zeiten der Hochkonjunktur kaum näher. Die Gründe sind ähnliche wie jene für die beständig steigenden Sozialausgaben. Es ist einerseits politisch unpopulär, die notwendigen ausgabenseitigen Reformen in die Wege zu leiten, um den finanziellen Spielraum größerer Entlastungen zu schaffen. Andererseits gefielen sich Regierungspolitiker verschiedenster Couleur dabei, alle drei, vier Jahre kleinere Steuerreformen zu beschließen, die im Endeffekt nur die angehäuften inflationsbedingten Mehrbelastungen eben jener drei, vier Jahre ausgeglichen haben (sogenannte „Kalte Progression“[11]). Zumindest Letzteres wurde durch den automatischen Ausgleich von 2/3 des Effekts der Kalten Progression ab dem Jahr 2023 abgestellt.

Wir JUNOS – Junge Liberale NEOS sind der Überzeugung, dass der Staat und die ihn lenkenden Politiker eine moralische Verpflichtung haben, den einzelnen Bürger nur in jenem Ausmaß zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen, der unbedingt notwendig ist, um wichtige Staatsfunktionen und Zukunftsinvestitionen besorgen zu können. Die beständige Aushöhlung des Grundrechtes auf Privateigentum, um damit kurzfristigen Konsum politischer potenter Wählergruppen zu finanzieren, muss ein Ende haben.

Aus diesen Gründen setzen wir JUNOS – Junge Liberale NEOS uns für die Einführung einer Steuer- und Abgabenobergrenze im Verfassungsrang ein. Budgetentwürfe des Bundes dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie zu einer Steuer- und Abgabenbelastung führen, die den Wert von 40 Prozent des BIPs übersteigt. Um die Steuer- und Abgabenquote in Zukunft über diesen Wert anheben zu können, ist eine vorherige Beschlussfassung beider Parlamentskammern (Nationalrat, Bundesrat) vorzusehen, welche ein erhöhtes Präsenzquorum von 50 Prozent und ein Konsensquorum von 2/3 der Abgeordneten zum Nationalrat bzw. Mitglieder des Bundesrates verlangt.

Durch die Selbstbindung der Politik und Entziehung dieser Angelegenheiten aus dem politischen Alltagsdiskurs erhoffen wir uns einen erhöhten Fokus auf die Effizienzsteigerung und Verschlankung des Staates sowie Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes und das Abstellen politischer Taktiererei auf dem Rücken der Steuerzahler und nächsten Generationen.

[1]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung

[2]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/staatsausgaben-nach-aufgabenbereichen

[3]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung

[4]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung

[5]https://www.statistik.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/maastricht-indikatoren/oeffentlicher-schuldenstand

[6]https://www.statistik.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/maastricht-indikatoren/oeffentlicher-schuldenstand

[7]https://www.agenda-austria.at/publikationen/staatsausgaben/handlungsempfehlungen/

[8]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/steuereinnahmen

[9]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/steuereinnahmen

[10]https://wko.at/statistik/eu/europa-abgabenquoten.pdf

[11]https://www.agenda-austria.at/publikationen/damit-sich-arbeit-wieder-lohnt/die-kalte-progression-die-heimliche-geliebte-des-finanzministers/