Der russische Einmarsch in die Ukraine stellt einen scharfen Wendepunkt in der Geopolitik und Sicherheitspolitik Europas dar. Täglich erreichen uns erschreckende Berichte über russische Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung. Eindeutig ist, dass es in diesem Konflikt keine Neutralität geben kann und die europäische Gemeinschaft, so wie wir sie kennen, auf dem Spiel steht. Länder wie Finnland und Schweden haben genau dies erkannt und sich daher dazu entschieden, von ihrer Neutralität abzukehren, um ihre Sicherheit gemeinsam mit europäischen und transatlantischen Partnern zu organisieren. Wir wollen, dass Österreich es ihnen gleichtut.
NATO-Mitgliedstaaten genießen unter Artikel 5 des Nordatlantikvertrags den Beistand aller anderen Mitgliedstaaten im Falle eines bewaffneten Angriffs. Ein neutraler Staat genießt diese Schutzgarantie hingegen nicht. Neutrale Staaten – von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden im Zweiten Weltkrieg bis hin zu eben zuletzt der Ukraine – wurden in der Geschichte immer wieder angegriffen. Darüber hinaus verlor das völkerrechtliche Institut der Neutralität durch Einführung des Gewaltverbots in Art 2 (4) UN-Charta sein Alleinstellungsmerkmal zum Schutz der territorialen Souveränität.
Die österreichische Sicherheitspolitik beruht derzeit auf dem Papier auf einer überholten Vorstellung der Neutralität, de facto jedoch auf der Rolle des Trittbrettfahrers, der hofft, dass andere Staaten jegliche Bedrohungen für den europäischen Kontinent zurückstoßen, bevor sie Österreich erreichen können. Denn im Norden, Osten und Süden ist Österreich von NATO-Mitgliedstaaten umgeben. Unsere Republik leistet also einen sehr geringen Beitrag zur Sicherheit des europäischen Kontinents.
Die österreichische Neutralität war zu ihrer Entstehung nach dem Zweiten Weltkrieg ein selbstauferlegtes, nur Österreich selbst bindendes, Zugeständnis an die Sowjetunion, um die Unabhängigkeit Österreichs von den Besatzungsmächten zu erwirken. Heute muss Österreich als souveräner Staat agieren, ein klares Bekenntnis zu Frieden und Freiheit innerhalb der liberalen internationalen Ordnung abgeben und darf sich nicht länger hinter der Neutralität verstecken.
Dass ein einzelnes europäisches Land in der Lage wäre, sich effektiv gegen einen fremden Angriff zu wehren, ist mehr als nur zweifelhaft. Österreich ist es jedenfalls nicht. Eine verstärkte Sicherheitskooperation, auch im Hinblick auf Effizienzsteigerung durch bessere Koordination zwischen den militärischen Strukturen, ist deshalb dringend erforderlich.
Darüber hinaus werden die maßgeblichen verteidigungspolitischen Beschlüsse bereits jetzt überwiegend in diversen NATO-Strukturen getroffen. Österreich ist als kleines Land im Herzen Europas unmittelbar von diesen Entscheidungen betroffen, ohne jedoch ein entsprechendes politisches Mitspracherecht zu haben. Ein NATO-Beitritt stellt mit dem Aufbau einer EU-Arme dabei eine Möglichkeit dar, Österreichs sicherheitspolitische Interessen in einer immer vernetzteren Welt adäquat durchzusetzen.
Deshalb sprechen wir JUNOS – Junge liberale NEOS uns für den frühestmöglichen Beitritt der Republik Österreich zur NATO aus. Damit einher geht die Verpflichtung, die Verteidigungsausgaben mittelfristig auf 2 % des BIPs zu erhöhen, ebenso wie die Sicherstellung, dass die Streitkräfte Österreichs im Hinblick auf militärische Ausrüstung, Ausbildungsstandards und Truppenstärke den Einsatzanforderungen der NATO in Zukunft entsprechen. Selbstverständlich ist zu diesem Zweck das Neutralitätsgesetz aufzuheben. Bis dieser Beitritt erfolgt, soll der Fokus des Österreichischen Bundesheeres darauf liegen, enger in die bereits bestehende Militärstruktur der NATO eingebunden zu werden. Dies kann sich unter anderem in der gemeinsamen Beschaffung, der Einbeziehung in gemeinsame Militärübungen oder der Teilnahme an Projekten wie der European Sky Shield Initiative äußern.
Weiters unterstützen wir ein völkerrechtliches Verständnis der qualifizierten Neutralität, wonach die Neutralität im Falle einer völkerrechtlichen Aggression nicht anzuwenden ist. Für ein solches Begriffsverständnis soll sich Österreich auch auf internationaler Bühne entsprechend einsetzen.
Langfristig sehen wir nichtsdestotrotz die Notwendigkeit des Aufbaus einer autarken, europäischen Sicherheitsarchitektur samt EU-Berufsmilitär innerhalb der NATO, damit die Union eine strategische Unabhängigkeit von außereuropäischen Partnern, wie etwa den USA, erlangt. Diesem Aufbau soll, vor allem in Hinblick auf die schwierige politische Lage bei manchen außereuropäischen Partnern, höchste Priorität beigemessen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen in der Zwischenzeit, nach deutsch-niederländischem Vorbild, die österreichischen Streitkräfte schrittweise mit jenen unserer europäischen Partner verschränkt und gemeinsame Fähigkeiten (weiter)entwickelt werden.