Am 6. Oktober 2021 betraten mehrere Ermittler:innen das Bundeskanzleramt, das Finanzministerium und die ÖVP-Parteizentrale. In ihren Händen: Eine 104-Seiten lange Durchsuchungsanordnung.
Der Vorwurf: Verdacht auf Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit und sogenannte “Inseratenkorruption” im Zusammenhang mit Umfragen und (positiver) Berichterstattung sowie diese Umfragen über ministerielle „Studien“ finanziert wurden.
Als Beschuldigte geführt: Hochrangige Mitarbeiter:innen des Finanzministeriums, sowie der türkise Bundeskanzler selbst und dessen wichtigsten Berater. Die Folge: Eine Regierungskrise, die nur durch das Zur-Seite-Treten des Bundeskanzlers vorübergehend entschärft wurde. Das Muster ist nicht neu. Schon im Jahr 2011 ermittelte die Wiener Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches und der Untreue gegen den damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler. Dieser steckte zu seiner Amtszeit rund 2,4 Millionen Euro jährlich in Inserate in Boulevardzeitungen. Eine Praxis, die – wie der ehemalige Verlegerpräsident Horst Pirker es nannte – “wie Korruption aussieht, und sich so anfühlt.”
Da offenbar weder der Anstand der Politiker:innen, noch die geltende Rechtslage ausreichen, um die österreichische Tradition des Kuhhandels zwischen Politik und Medien zu beenden, sind dringende Maßnahmen erforderlich. Einzelne als korrupt erscheinende Politiker:innen beschädigen nicht nur das Ansehen der Politik und gefährden dadurch das demokratische System, sie schaden auch Österreichs Ansehen im Ausland und gefährden Österreichs ohnehin schon geringes Gewicht auf der außenpolitischen Bühne.
Um dieser Praxis Herr zu werden fordern wir:
1. Veröffentlichung aller mittels Steuergeld finanzierter Studien
Um dubiöse Geldflüsse von öffentlichen Studien zu anderen Kanälen zu unterbinden ist es unerlässlich, dass jeder Österreicher sich selbst ein Bild von der Qualität dieser Arbeiten machen kann. Schließlich wurden diese mit dem hart erarbeiteten Steuergeld der österreichischen Staatsbürger bezahlt. Bis heute werden Studien von Ministerien und Bundesländern nur selektiv und nach Gutsherrenart veröffentlicht. Damit muss Schluss sein. Wir wollen einen klaren Systemwechsel. Öffentlich finanzierte Studien sollen als Open Data frei verfügbar sein und auch über die Kosten der Studien soll ein halbjährlicher Bericht der jeweiligen Ebene (Bund, Bundesland, Gemeinde) veröffentlich werden. Damit könnte nicht nur die Korruption in Österreich bekämpft, sondern auch die Qualität politischer Diskussionen verbessert werden. Denn es ist ein Fakt, dass nur gutinformierte Bürger nachvollziehen können, inwieweit Politiker evidenzbasiert arbeiten.
2. Schluss mit der Inseratenkorruption
Eine freie, unabhängige, plurale und sachorientierte Medienlandschaft ist eine tragende Säule der liberalen Demokratie. Qualitätsvoller Journalismus, der unbeeinflusst von staatlichen und politischen Einflüsterungen seiner Kontrollfunktion nachgehen kann, ist für ein Funktionieren des demokratischen Systems unerlässlich. Ein Staat, der die Pressefreiheit nicht bedingungslos erfüllen kann, hat versagt. Regierungen und Parteien, die durch die Vergabe von Inseraten Druck auf die Berichterstattung ausüben wollen, sind unanständig und haben mit legitimer Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien nichts zu tun.
Gleichzeitig werden durch astronomische Zuwendungen an Zeitungen Marktverzerrungen geschaffen. Über den Erfolg eines Mediums entscheiden auf diese Weise nicht die Konsument:innen, sondern der Staat. Langfristig ist also unser Ziel, dass Inserate nicht mehr die Regel sind, sondern nur in sehr seltenen und gut begründeten Ausnahmen geschalten werden. Daher müssen klare Kriterien geschaffen werden, nach denen öffentlich-rechtliche Einrichtungen und (teil-)staatliche Unternehmen Inserate schalten können. Das beinhaltet eine beinhaltet eine Größen- und Flächenbeschränkung von Inseraten in Printmedien. Ebenso muss eine budgetäre Höchstgrenze für die Öffentlichkeitsarbeit erlassen werden. Über das Schalten der Inserate in Medien entscheiden innerhalb der Bundesregierung nicht mehr die einzelnen Ministerien im Alleingang, sondern der Ministerrat als Gremium. Über die geschalteten Inserate der Regierung sind das Parlament und die Öffentlichkeit jährlich ausführlich zu informieren. Die Höhe der Inserate muss sich an sachlichen Kriterien – darunter die Anzahl der Leser:innen -orientieren. Eine Aufstockung des Inseratenbudgets in Krisenfällen soll durch Beschluss des Nationalrats möglich sein.
3. Transparenz als Desinfektionsmittel
Eine Transparenzkommission ist mit der Prüfung der jährlich von staatlichen Stellen geschalteten Inseraten beauftragt. Die Inserate selbst werden in einer umfangreichen Transparenzdatenbank erfasst und sind von jedermann dauerhaft einsehbar. In der Datenbank werden nicht nur Datum, Kosten, Größe, Zielgruppe und Medium erfasst, sondern auch Abbilder der geschalteten Inserate. Die Löschung der dort erfassten Informationen ist nicht gestattet. Eine für alle Bürger:innen leicht verständliche Zusammenfassung ist auf der Homepage der Transparenzkommission allen Bürger:innen zugänglich zu machen.
4. Rechtsstaatlichkeit verbessern
Es gibt keine Demokratie ohne funktionierenden Rechtsstaat. Eine unabhängige Justiz ist für die Kontrolle der Politik unerlässlich. In den letzten Jahren haben unsachliche und unbegründete Angriffe politischer Akteur:innen auf die Staatsanwaltschaften dem Ruf der österreichischen Justiz schwer geschadet. Dieser Ruf muss wiederhergestellt werden. Ein erster Schritt kann die Schaffung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes sein. Ein solcher unabhängiger Bundesstaatsanwalt wäre nicht länger der Weisungskette des/der Justizminister:in unterworfen.
Des Weiteren nimmt gerade die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine zentrale Rolle im Rahmen der Korruptionsbekämpfung und Garantie einer sauberen Politik ein. Diese muss organisatorisch in ihrer Unabhängigkeit und der ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gestärkt werden. Z.B durch eine eigens zugeordnete Polizeieinheit oder durch die Einschränkung von Berichtspflichten in Einzelstrafsachen.
5. Code of Conduct für Politiker:innen
Misswirtschaft begünstigt Korruption. Die zahlreichen Skandale und Untersuchungsausschüsse der letzten Jahre zeigen, dass Schäden, die von politischen Akteur:innen verursacht wurden, oft ohne Konsequenzen bleiben.
Vor allem in jenen Fällen, in denen es um Investitionsentscheidungen geht, haben Entscheidungsträger:innen einen großen Ermessensspielraum. In Fällen, in denen den Steuerzahler:innen hohe Kosten durch Fehlentscheidungen der Politik aufgebürdet werden, sollten die Prüfrechte insofern erweitert werden, ob Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Ebenso sollten sich alle Staatssekretär:innen und Minister:innen bei ihrer Angelobung zu einem Code of Conduct verpflichten.