TTIP – Transparenz, vollständige Liberalisierung und Vielfalt in der transatlantischen Handelspolitik

Der Freihandel

Mit dem Freihandel werden einige der wichtigsten liberalen Ideen umgesetzt. Er erlaubt die ungestörte Interaktion von Menschen über staatlichen Grenzen hinweg. In seinem Kern ist der Freihandel Nichtdiskriminierung – Waren, Dienstleistungen, Kapital etc. dürfen nicht verteuert werden, nur weil sie von Ausländerinnen und Ausländer hergestellt worden sind. Die Politik darf nicht besondere Pflichten oder Privilegien in Zusammenhang mit Imports an das Merkmal ihrer Herkunft anknüpfen. Hinter der Freihandelspolitik steht die Überlegung, dass Nationalität kein Merkmal für Qualität ist und dass sie keinen Grund für Sonderrechte oder für Einschränkungen ist.

Dass sich Nichtdiskriminierung positiv auf die Gesellschaf auswirkt, ist keine Überraschung für jene, die von der Marktwirtschaf überzeugt sind.

Wenn mehr Waren am Markt angeboten werden, haben Verbraucherinnen und Verbraucher eine breitere Auswahl und damit mehr Gewicht, was schließlich in der Regel zu einer Senkung der Preise führt. Die neue Konkurrenz setzt Impulse für Innovation und belebt den Wettbewerb, wodurch der Fortschritt der Märkte beschleunigt wird. Unternehmen bekommen neue Chancen für ihre Produkte und investieren in den neu eröffneten Märkten, wodurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies wird auch vom Erfolg des Europäischen Binnenmarktes bestätigt, dessen Grundfreiheiten jeweils Ausprägungen des Prinzips der Nichtdiskriminierung sind.

Wie jede andere soziale Entwicklung, bringen die vom Freihandel ausgelösten Prozesse auch Nachteile für einzelne Gesellschafsgruppen. Produktionsstandorte werden verlagert, Berufe und Branchen werden nicht mehr nachgefragt und verschwinden. Diese Entwicklungen lassen sich vorhersagen und erfordern zeitgemäße Reaktion der Politik, die gegebenenfalls den betroffenen Menschen unter die Arme greifen muss. Empowerment – nicht Protektionismus, ist echte Sozialpolitik.

Vollständige Liberalisierung des transatlantischen Markts

Die volle Verwirklichung der Vorteile des Freihandels setzt natürlich den Idealzustand voraus, dass Nichtdiskriminierung als Prinzip des Freihandels konsequent durchgesetzt wird. In vielen Freihandelsabkommen, so auch bei NAFTA, ist das gerade nicht der Fall. Die USA und die EU müssen aber genau diesen Idealzustand anstreben. Denn sie sind so nahe an ihm wie sonst keinen andere zwei Volkswirtschafen der Welt.

Wir fordern deswegen den vollständigen Abbau von Quoten und Schutzzöllen zwischen der EU und den USA. Europäische und US-Amerikanische Waren, Dienstleistungen und Kapital müssen am transatlantischen Markt gleich behandelt werden. Das bedeutet, dass sie von keinem der Staaten wegen ihrer Herkunft benachteiligt werden. Das bedeutet aber sicher nicht, dass Staaten ihr Recht auf eigene (nichtdiskriminierende) Qualitätskontrolle preisgeben.

Weiters darf das TTIP-Abkommen auf keinem Fall zu einer Absicherung der US-amerikanischen und der europäischen Agrarsubventionen führen. Vielmehr müssen beide Volkswirtschafen die TTIP-Verhandlungen als Gelegenheit für entscheidende Schritte zu deren Abbau nützen. Auch in anderen Sektoren führen Subventionen zu Verzerrungen und werden als protektionistische Politik zulasten fremder Waren und Dienstleistungen eingesetzt und müssen abgebaut werden. Insbesondere müssen Subventionen im Bereich von CO2-Ausstoß-bewirkenden Produktionen eliminiert werden.

Auch im Vergabewesen muss Protektionismus (zB „Buy American“ Vergabevorschriften in den USA) Schritt für Schritt abgeschafft werden. Bedauerlicherweise sind öffentliche Vergaben keine Kompetenz der US-Bundesregierung, sondern werden von 50 Staaten im Alleingang geregelt. Die Europäische Union hat deswegen ihre Vergabepolitik jedenfalls für US-Unternehmen zu öffnen. Allerdings soll dies an die Voraussetzung der Gegenseitigkeit angeknüpft werden und daher nur gelten, wenn der Sitzstaat des jeweiligen US-Unternehmens seine Vergabepolitik auch für europäische Unternehmen in gleicher Weise geöffnet hat.

Ja zum Abbau von Bürokratie

Eines der wichtigsten Ziele der TTIP-Verhandlungen besteht in Vereinheitlichungen bei der Zulassung von Produkten und Dienstleistungen an beiden Märkten. Oft zielen die USA und die EU auf gleiche oder ähnlich hohe Qualitäts- und Schutzstandards ab, erreichen sie aber zwei verschiedene Wege. Aus der Sicht von exportierenden Unternehmen bedeutet das beträchtliche und unnötige Kosten für die Zulassung am jeweils anderen Markt. Bei Waren und Dienstleistungen, welche auf beiden Seiten gleichwertige Standards erfüllen, müssen bürokratische Hürden abgebaut und die Zulassungsverfahren vereinheitlicht werden.

Nein zu einer transatlantischen Gleichmachung von Schutzstandards

Wir sprechen uns aber gegen die Angleichung von unterschiedlichen Schutzstandards aus. Die einzelnen Gebietskörperschafen in den USA und in der EU stehen in einem Standortwettbewerb, der durch eine transatlantische Gleichmachung nicht gedämpft werden darf. Bei Entscheidungen über den Wohnsitz oder über den Produktionsstandort spielen Faktoren wir Regulierungsgrad und Schutzniveau eine wichtige Rolle. Die einzelnen Gebietskörperschafen müssen es in der Hand haben, Menschen und Unternehmen jeweils ein einzigartiges Angebot zu machen. Vielfalt ist kein Problem, sondern eine Lösung mehrerer Probleme. Denn einerseits wird dadurch die Auswahlmöglichkeiten für Menschen und Unternehmen erhöht. Andererseits stehen Gebietskörperschaften in einem Wettbewerb, der sie zu Innovation und auch zu Effizienz zwingt. Ein Stück weniger Vielfalt in diesem Wettbewerb wäre auch ein Stück weniger Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger.

Aus eben diesem Grund sind wir dafür, dass das Subsidiaritätsprinzip in der Europäische Union jene Rolle spielt, die ihm ursprünglich zugeordnet worden war: die Politik hat nur jene Probleme auf der Ebene der Europäischen Union zu lösen, die auf der Ebene kleinerer Gebietskörperschaften nicht gelöst werden können. So muss Umweltpolitik unbedingt eine Angelegenheit der Union sein, nicht aber auch Steuern und Abgaben, die Sonntagsöffnung oder Drogenpolitik. Eine Vereinbarung zwischen der EU und den USA würde in vielen Bereichen die Umsetzung dieses Subsidiaritätsprinzip in Europa unmöglich machen, weil die Politik Regelungen auf einer noch höheren Ebene als die europäische fixiert. Damit käme zur Gleichmachung auch der Nachteil der Bürgerferne dazu. Dabei wird die transatlantische Handelspolitik seitens breiter Teile der Bevölkerung jetzt schon mit großer Skepsis betrachtet.

Schließlich bedeutet eine transatlantische Regelung auch, dass sich die getroffenen Regelungen auf Dauer unverändert bleiben müssen. Denn in der transatlantischen Handelspolitik fehlt an Gremien, die zu einer Neuregelung zuständig wären, wenn die Zeit wieder reif für Reformen wird.

Visa-Erleichterungen

Es darf nicht übersehen werden, dass der transatlantische Markt und die Globalisierung bisher stets eine der Freiheiten ignorieren, die innerhalb der Europäischen Union als Grundfreiheit des Binnenmarktes verwirklicht worden ist – die Personenfreizügigkeit, die eine diskriminierungsfreie Niederlassung und Arbeit in fremden Staaten gewährt. Die Liberalisierung des internationalen Handels wird so lange unvollständig bleiben, bis auch diese Freiheit verwirklicht wird. Auch der internationale Standortwettbewerb wird gehemmt bleiben, solange Menschen ihren Wohnsitz, Niederlassung und Arbeitsstätte nicht frei wählen dürfen. Auch in diesem sehr sensiblen und umstrittenen Bereich der Personenfreizügigkeit muss daher nach und nach Liberalisierung durchgesetzt werden. Deswegen müssen im Rahmen des TTIP erste Visa- Erleichterungen vorgesehen werden.

Transparenz

Schließlich möchten wir unterstreichen, dass Transparenz und Offenheit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auf beiden Seiten des Atlantiks eine unverzichtbare Voraussetzung für jede Art von transatlantischer Politik an sich darstellt.

Zwar ist zu respektieren, dass Verhandlungen sinnvollerweise oft vertraulich geführt werden müssen. Schließlich wird über das Ergebnis ja am Ende in öffentlichen Sitzungen der demokratischen Gremien in den USA und in der EU abgestimmt.

Doch gibt es keinen Grund, warum die TTIP-Verhandlungen hinter dem Niveau an Transparenz bleiben sollten, das bei einem Beitrittsprozess gewährt wird. Die Europäische Kommission muss NGOs offenes Ohr und Information anbieten, die nicht hinter dem zurückbleibt, was die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaf zur Verfügung gestellt wird. Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen darüber hinaus weitergehende Einsichtsrechte haben. Intransparenz bringt den Freihandel als Konzept und auch die Politik der EU an sich nachhaltig in Verruf und erweckt die berechtigten Besorgnisse, dass es bei dem Abkommen um Sonderprivilegien für Multis geht.