Auf Einladung von LYMEC (European Liberal Youth), der Jugendorganisation der ALDE Gruppe, machten sich von 2.-4. Juni rund 30 jungliberale Gemeinderäte aus ganz Europa auf den Weg nach Brüssel. Denn zum ersten Mal veranstaltete LYMEC, in Kooperation mit ALDE, ELF (European Liberal Forum) und der Friedrich-Naumann-Stiftung ein Seminar für Jung-Mandatare, die in den kleinsten Verwaltungseinheiten tätig sind und somit am unmittelbarsten Politik betreiben: in den Gemeinden und Städten.

 

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LYMEC-Präsidentin Vedrana Gujic (links), LYMEC-Generalsekretär Igor Caldeira (rechts)

 

Vedrana Gujic (@vedranagujic), LYMEC-Präsidentin und selbst Gemeinderätin in ihrer Heimatstadt Zagreb, und Igor Caldeira (@igorcaldeira), LYMEC-Generalsekretär, begrüßten die Teilnehmer_innen am Dienstagnachmittag in den gemeinsamen Räumlichkeiten von ALDE und LYMEC, unweit des Europäischen Parlaments. Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde präsentierte Vytautas Zukauskas, Vize-Präsident des litauischen Free Market Institute den „Municipal Performance Index“, der Kommunen nach diversen Kriterien beurteilt und daraus ein Ranking erstellt. Weiterführende Informationen dazu gibt es hier: http://en.llri.lt/initiatives/municipal-index
Moderiert wurde die anschließende Diskussion von Julie Cantalou, European Affairs Manager im Brüsseler Büro der Friedrich Naumann Stiftung. Abgerundet wurde der Abend durch ein, wieder einmal, eindrucksvolles Stehgreif-Statement von ALDE-Chef Graham Watson.

 

Der nächste Tag stand dann ganz im Zeichen des Ausschuss der Regionen (AdR) bzw. Committee of the Region (COR). Dieser aus 350 Mitgliedern und ebenso vielen Stellvertreter_innen bestehende Ausschuss steht in der öffentlichen Wahrnehmung etwas zu Unrecht im Schatten der bekannten EU-Institutionen wie z.B. Parlament, Kommission und Rat. So dürfte es zum Beispiel nur wirklichen Politikinsidern bekannt sein, dass Österreich im Ausschuss der Regionen (AdR) mit 12 regulären Mitgliedern und 12 Stellvertreter_innen vertreten ist. Darunter so bekannte Namen wie Tirols LH a.D. Herwig van Staa, Salzburgs LH a.D. Franz Schausberger, deren Amtszeit schon einige Jahre zurückliegt, aber auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Die gesamte Liste gibt es unter folgendem Link: http://memberspage.cor.europa.eu/Result.aspx?f=2&s=0&o1=0&o2=0&o3=0&co=AT

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 Fact box (aus Wikipedia): Der AdR ist die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der Europäischen Union, die den subnationalen Gebietskörperschaften (d. h. Regionen, Bezirken, Provinzen, Städten und Gemeinden) im institutionellen Gefüge der EU unmittelbar Gehör verschafft. Durch ihn soll gewährleistet werden, dass diese ihren Standpunkt zur Politik der EU einbringen können und regionale und lokale Identitäten und Vorrechte respektiert werden. Im April 2009 hat der Ausschuss seine Rolle im Politischen System der Europäischen Union in einer Grundsatzerklärung[1] dargestellt.

Der AdR wurde 1994 aus zwei Erwägungen heraus errichtet: Erstens werden etwa drei Viertel der EU-Rechtsvorschriften auf lokaler oder regionaler Ebene umgesetzt, sodass es durchaus sinnvoll ist, wenn Vertreter der lokalen und regionalen Ebene bei der Entwicklung neuer EU-Gesetze ein Mitspracherecht haben. Zweitens sorgte man sich darum, dass sich zwischen der Öffentlichkeit und dem Prozess der europäischen Integration eine zunehmende Kluft auftun könnte; die Einbeziehung der gewählten Vertreter derjenigen Regierungs- und Verwaltungsebene, die den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten ist, war eine Möglichkeit, diese Kluft zu überwinden.

Vor der eigentlichen Abstimmungssitzung der ALDE-Gruppe beim AdR, führte uns deren Generalsekretär Sean O’Curneen (@ocurneen) sowie 2 ALDE-Abgeordnete beim AdR in die Arbeitsweise des Ausschusses und die aktuellen Fragestellungen ein.

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Auch unser Salzburger JUNOS-Gemeinderat Lukas Rößlhuber war in Brüssel dabei

 

Im Rahmen der folgenden Abstimmungssitzung besprachen sich die liberalen Mitglieder des AdR dann bzgl. der Tagesordnung und des Abstimmungsverhalten in der nachmittäglichen AdR-Plenarsitzung. Änderungsanträge wurden besprochen und via Word-Änderungsverfolgung eingearbeitet: man kann sich das durchaus wie einen kurzen JUNOS-Bundeskongress vorstellen.  Jedenfalls war es eine wohl einzigartige Möglichkeit, bei einer derart internen Sitzung teilnehmen zu können.

 

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ALDE-COR-Gruppe Abstimmungstreffen

 

Zu Mittag ging es weiter zum Brüsseler Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung (@fnfeurope). Nach einer kurzen kulinarischen Stärkung informierte uns der Büroleiter Hans Stein (@europe_liberty) über die internationale Arbeit der FNF. U.a. wurde auch das Projekt „Animate Europe“ vorgestellt, dessen Ergebnisse man aktuell im NEOS Lab in der Neubaugasse 64-66, 1070 Wien besichtigen kann.

Nach diesem kurzen Abstecher ging es dann endgültig in medias res in Form der 112. AdR-Plenartagung (http://cor.europa.eu/de/events/Pages/112th-CoR-Plenary-Session.aspx), die wir „unten“ im Plenum mitverfolgen konnten.  Auftakt und Highlight zugleich bildeten Stellungnahmen der EU-Parlamentarier Mercedes Bresso (S&D), Elmar Brok (EPP) und Guy Verhofstadt (ALDE), die ihre Einschätzung zur Verbesserung der Funktionsweise der EU unter besonderer Berücksichtigung des heiklen Thema „Subsidiarität“ abgaben und danach dem AdR Rede und Antwort standen. Weitere Themen auf der Agenda waren u.a. „Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten“, „Die Meeresumwelt besser schützen“, sowie „Ein menschenwürdiges Leben für alle: Vom Zukunftsbild zu kollektiven Maßnahmen“. Die detaillierte Agenda ist unter folgendem Link zu finden: http://www.toad.cor.europa.eu/ViewDoc.aspx?doc=cdr%5csession%5c2015%5cjuin%5cDE%5cCOR-2015-02554-00-04-CONVPOJ-TRA_DE.docx&docid=3082324

 

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Guy Verhofstadt beim AdR: „Blaming an EU, that has 1% of European budgets, for not being able to solve the „European“ crisis, is not fair!“

 

Den Abschluss dieses langen und programmatisch dichten Tages bildete die Präsentation des Buchs „Tackling Regional Disparities through Growth – Young Liberal Perspectives“. Das Buch bildet den Abschluss eines Projekts, das mit einem gemeinsamen „open call“ von LYMEC und ELF zur Einreichung von Beiträgen im Herbst 2014 begann und im April 2015 mit einem Workshop von rund 30 Teilnehmer_innen aus ganz Europa in Warschau seinen Höhepunkt fand. Die zehn besten Beiträge von jungliberalen Autoren liegen jetzt in gedruckter und digitaler Form vor.

Der letzte Seminartag stellte dann noch einmal die Praxis in den Mittelpunkt. Im Rathaus von Ukkel, einem von 19 Brüsseler Stadtteilen (ähnlich Bezirken) wurden wir von den Liberalen Jean-Luc Vanraes (Stadtrat und AdR-Mitglied), und Armand de Decker (Bürgermeister von Ukkel und ehem. belgischer Staatsminister) empfangen. Besonders Jean-Luc Vanraes berichtete ausführlich und detailreich aus seiner langjährigen Erfahrung als Lokalpolitiker und seinem derzeitigen Aufgabenfeld der Sozialpolitik, in der er sowohl die staatliche als auch die private Komponente für essentiell erachtet.

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Rathaus von Ukkel

 

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Bürgermeister de Decker, Stadtrat Vanraes

Nach einem Empfang im Rathaus folgte noch eine Besichtigung einer lokalen Sozialhilfeeinrichtung, die akut von Not betroffenen Menschen „Erste Hilfe“ leistet, Flüchtlingen in der ersten Zeit Orientierung bietet sowie grundlegende Sprachkenntnisse näherbringt, und auch einen Sozialmarkt beinhaltet.

Danach ging es mit dem Bus wieder zurück ins Hotel, zu Fuß vorbei an der Europäischen Kommission zur Bushaltestelle wo sich der Flughafenexpress wenige Minuten später gut gefüllt auch schon wieder zurück zum Flughafen machte. Brüssel: Wir sehen uns wieder!

 

Fazit #1: LYMEC-Seminare wie dieses bieten großartige bzw. einzigartige Möglichkeiten hinter die Kulissen zu blicken, Liberale aus ganz Europa kennenzulernen und die Abläufe der EU besser zu verstehen. #einfachmachen

 

Fazit #2: Man könnte sich fragen, warum ein derartiger Brüssel-Besuch nicht zum Standard-Programm eines jeden Gemeinderats und einer jeden Gemeinderätin in Europa zählt (von Landtagen und nationalen Parlamenten ganz zu schweigen). Denn die EU spielt auch bzw. insbesonders für die tägliche politische Arbeit in Städten und Gemeinden eine derart große Rolle, dass das Verstehen um die Abläufe und Hintergründe eigentlich unabdingbar ist. Und ja: wir als jungliberale und europaphile Mandatar_innen sind besonders in der Pflicht, wenn es darum geht zu erklären, wofür die EU verantwortlich ist und wofür sie ganz bestimmt nichts kann.